Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Ich muss schon sagen: Diese Debatte hatte viele Tiefpunkte. Ein Tiefpunkt war, mal wieder der AfD mit ihrem mittelalterlichen Frauenbild zuzuhören.
Herr Dr. Maelzer, ganz ehrlich: Sie beschreiben meine Kollegin Woestmann als „gefühlig“. Das können wir in diesem Parlament besser.
(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Die Zustandsbeschreibung war gefühlig!)
Wir haben zwar den 29. und nicht den 8. März, aber das können wir wirklich besser.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Sarah Philipp [SPD]: Es ging nicht um die Person! Zuhören!)
In Armut zu leben, ist ein Elend. In Armut aufzuwachsen, ist ein eigenes Elend. Meine Vorredner*innen haben es erwähnt: In NRW lebt jedes fünfte Kind in Armut. – In Duisburg, wo ich herkomme, ist es sogar jedes dritte.
Wer in Armut groß wird, wächst mit geringeren Chancen auf und muss oft jahrzehntelang mit den Folgen leben lernen. Der Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft gibt in einer Auswertung des Statistischen Bundesamtes an, dass das obere Einkommenszehntel in Deutschland ein Vielfaches für die Teilhabe und das Wohlergehen der eigenen Kinder aufbringen kann.
Armen Familien geht es nicht so. Bei Freizeit, Unterhaltung und Kultur können sich arme Familien nur ein Viertel der Aktivitäten und bei Urlauben und Restaurantbesuchen nur ein Sechstel leisten. Bei der traurigen Spitze, nämlich bei der Gesundheitspflege, also bei Medikamenten, Arztkosten und therapeutischen Angeboten, ist es sogar nur ein Zehntel der Leistungen.
Ein Sprichwort besagt: „There is no glory in prevention“ – der Prävention wird keine Ehre zuteil. Und doch ist es gerade die Prävention, die Armutsketten und Armutsvererbung durchbricht. Wir wissen, dass Armut nach wie vor eine reale Gefahr ist, eine Gefahr für die Menschen, die von ihr betroffen sind, für die jeder Tag ein Kampf ums Überleben bedeutet, denen nicht mit Appellen geholfen ist, die verlassen sind, wenn sie sich auf die Kräfte des Marktes stützen sollen.
Diese Menschen brauchen die Hilfe des Staates und die gemeinsamen Anstrengungen aller demokratischen Fraktionen in diesem Parlament.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Ja, liebe Kolleginnen von der SPD, da müssen wir mehr tun. Und wir tun mehr: Die Ausweitung des Wohngelds um einen Empfänger*innenkreis von ca. 2 Millionen Menschen wird auch vom Land NRW finanziert. Dies zieht den Anspruch auf Bildungs- und Teilhabepakete nach sich, mit denen das Mittagessen in Kitas und Schulen getragen wird.
Fakt ist jedoch auch, dass diese Leistungen für die Antragsteller*innen einem Spießrutenlauf gleichen. Deshalb ist es wichtig, dass das Antragsverfahren vereinfacht wird und an allen Stellen die soziale Infrastruktur Hilfe bei der Antragstellung leisten kann.
Noch wichtiger ist, dass die Kindergrundsicherung jetzt schneller kommt. Dazu habe ich überhaupt kein Verhalten von Ihnen wahrgenommen.
(Beifall von Eileen Woestmann [GRÜNE])
Es ist wichtig, dass wir den Antragsdschungel lichten. Die große Verantwortung der Ampelkoalition in Berlin ist es, eine auskömmliche Kindergrundsicherung vorzulegen. Die Kollegin Schneider hat gerade gesagt, man solle nicht immer mehr Geld draufschmeißen. Genau das ist die Haltung der FDP in dieser Frage.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Ich erwarte auch von Ihnen, liebe SPD, dass sich der Kanzler dazu verhält, dass er sich nicht zurücklehnt, dass die Unterstützung von Kindern in unserem Land nicht nur moralisch geboten ist, sondern zur Chefsache wird.
(Beifall von den GRÜNEN und Daniel Scheen-Pauls [CDU])
Lieber Herr Hafke, Sie haben es gerade schon vorweggenommen, den Angriff auf Christian Lindner. Dann mache ich ihn jetzt. Mir würde es schon reichen, wenn auf der Steuereinnahmenseite nicht eine kalte Progression gemacht würde, die Ihnen und mir mit unserer Abgeordnetendiät hilft, aber ganz sicher nicht denen, die es am meisten brauchen.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Marcel Hafke [FDP])
Ich gebe meiner Kollegin Frau Teschlade recht. Mich hat es schockiert, wie die FDP in den letzten Wochen mit den Streikauswirkungen umgegangen ist. Was ist das sonst, wenn der Bundesverkehrsminister sagt, unter dem Arbeitskampf dürften normale Leute nicht leiden, und man solle das Lkw-Fahrverbot am Sonntag nicht kontrollieren, außer der Missachtung der Sozialpartnerschaft?
(Marcel Hafke [FDP]: Hat Nordrhein-Westfalen das gemacht? – Dr. Dennis Maelzer [SPD]: NRW! – Zuruf von Kirsten Stich [SPD])
Sie brauchen mir doch nichts von Aufstiegschancen erzählen, wenn Sie so in den Tarifstreit eingreifen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Bis die Kindergrundsicherung in NRW kommt, ist das Land gehalten, die Lücken zu schließen und kein Kind zurückzulassen. Das kostenlose Mittagessen in den Schulen gehört dazu. Da frage ich mich: Haben Sie nicht zugehört? Sie erzählen hier die ganze Zeit, auf der Landesarmutskonferenz seien keine Maßnahmen beschlossen worden. Natürlich sind Maßnahmen erfolgt. Mit dem Stärkungspakt haben wir 150 Millionen Euro in die Hand genommen. Daraus kann natürlich ein Mittagessenszuschuss für die Schulen und Kitas finanziert werden. Ja, hören Sie denn nicht zu?
(Beifall von den GRÜNEN – Kirsten Stich [SPD]: Wir sehen, dass nichts passiert!)
Die Mittel sollten nicht mit der Gießkanne verteilt werden, sondern es geht um Maßnahmen für diejenigen, die sie am allermeisten brauchen. Das ist grüne Sozialpolitik, und das werden wir in NRW und im Bund weiter vorantreiben.
(Beifall von den GRÜNEN – Marcel Hafke [FDP]: Da bin ich ja mal gespannt!)
Zum Schluss möchte ich auf das eingehen, was wir schon alles geschafft haben, um in diesem Parlament vielleicht doch noch einmal zusammenzukommen.
Auf der Bundesebene haben wir das reformierte Bürgergeld, die Energiepreispauschale und die Gas- und Strompreisbremse beschlossen.
In NRW machen wir den Pakt gegen Kinderarmut. Die Armutskonferenz wird in den nächsten Monaten gemeinsam mit Engagierten und Betroffenen einen Aktionsplan gegen Armut auflegen sowie Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und Teilhabe über den Tellerrand hinaus – in der Bildung, beim Verkehr und in den Quartieren vor Ort – in den Blick nehmen.
Mit zahlreichen Entlastungsmaßnahmen federn wir die Inflations- und Energiekostensteigerungen der sozialen Infrastruktur vor Ort ab, damit Beratung allen Menschen zuteilwerden kann.
Ja, das alles heißt nicht, dass es nicht noch viel zu tun gäbe. Aber wir sollten auch nicht ignorieren, wie ernst wir unseren staatlichen Auftrag nehmen, Armut in diesem Land zu bekämpfen. Dazu hat diese Debatte heute, finde ich, keinen guten Beitrag geleistet.
(Jochen Ott [SPD]: Die Grünen haben keinen Beitrag geleistet!)
Wir müssen zusammenkommen und besser werden. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
– Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der SPD-Fraktion zu Kinderarmut