Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Ich freue mich sehr, meine erste Rede vor diesem Hohen Hause zu einem Thema halten zu dürfen, das mir ein besonderes Herzensanliegen ist.
Der Kampf gegen Kinder- und Jugendarmut ist ein Kampf, den wir über Parteigrenzen hinweg jetzt entschlossen führen müssen. Denn wir sind uns alle der Zuspitzung der Lage bewusst.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine trifft in seinen Auswirkungen uns alle. Aber er trifft Alleinerziehende, Menschen mit geringem Einkommen und Sozialhilfeempfänger eben besonders hart.
Gestiegene Energie-, Sprit- und Lebensmittelpreise führen dazu, dass der Geldbeutel vieler Menschen in unserem Land früher leer ist, und dazu, dass Sorgen und Existenzängste zunehmen.
Familien, die von Armut betroffen sind, sind mit besonderen Härten konfrontiert. Als Tochter einer alleinerziehenden Mutter im Schichtdienst weiß ich, dass jedes Elternteil zuerst die eigenen Bedürfnisse zurückstellt, um Teilhabe zu ermöglichen. Kein Elternteil will, dass das Kind nicht zum Kindergeburtstag gehen kann, weil das Geschenk fehlt. Jedes Nein – sei es zum Kinobesuch mit Schulfreund*innen, zum Buch, das gerade alle in der Klasse lesen, oder zum ersten eigenen Handy – tut weh.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es unser Auftrag als Politiker*innen, die wir das große Privileg haben, hier in diesem Hause zu sitzen, ihre Hilferufe zu hören.
Es gehört eine große Portion Mut dazu, die Scham, die Armut anhaftet, zu überwinden und zu sagen: Ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll. Ich weiß nicht, wie meine Familie das schaffen soll.
Unzählige solcher Geschichten sind gerade auf Twitter unter „#IchBinArmutsbetroffen“ zu lesen. Ich werbe darum, dass wir sie alle aufmerksam verfolgen.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Ihr Mut muss uns Antrieb sein, uns unermüdlich und schnell für beste Unterstützungsangebote und die Überwindung von Armut einzusetzen.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf garantieren wir die Umsetzung eines Sofortzuschlages von 20 Euro monatlich für Kinder und Jugendliche in Sozialleistungsbezug. Der Sofortzuschlag ist Teil des Entlastungspaketes der Bundesregierung und kann nicht alle Härten abfangen. Dessen sind wir uns bewusst. Er würdigt aber die aktuelle Notlage, in der sich viele Familien gerade befinden, und bringt dringend benötigten Spielraum.
Aber der Sofortzuschlag ist erst ein Anfang. Denn er ist bis zur Einführung der Kindergrundsicherung befristet.
Die geplante Kindergrundsicherung – bei der ich, anders als mein Vorredner, sehr zuversichtlich bin, dass sie schnell auf den Weg gebracht wird – wird ein starkes Instrument gegen Armut von Kindern und Jugendlichen sein – nicht zuletzt auch deswegen, weil die Kindergrundsicherung verschiedene Leistungen für Kinder und Jugendliche bündelt und so viel Bürokratie abbauen wird. Darauf freue ich mich sehr.
(Beifall von den GRÜNEN)
Die Bekämpfung von Kinder- und Jugendarmut kann nur gelingen, wenn sie als gesamtstaatliche Aufgabe von Bund, Land und Kommunen vorangetrieben wird. Wir als schwarz-grüne Koalition auf Landesebene werden vorangehen und Kinderarmut ambitioniert und ressortübergreifend bekämpfen. Das haben wir in unserem Koalitionsvertrag festgeschrieben.
Gemeinsam mit den Gewerkschaften, Kommunen, Vertreter*innen von Kindern und Jugendlichen sowie weiteren Akteur*innen werden wir einen Pakt gegen Kinder- und Jugendarmut schließen. Wir werden Programme wie „kinderstark“ und „Zusammen im Quartier“ besser verzahnen, um Kommunen vor Ort zu unterstützen. Wir werden Kita-Sozialarbeit in die Fläche bringen und die Familienbüros stärken.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich würde mich freuen, wenn wir in der kommenden Legislaturperiode sehr viele gemeinsame Vorhaben gegen Kinder- und Jugendarmut auf den Weg bringen könnten. Denn jedes Kind, jeder Jugendliche und jeder Mensch in unserem Land hat es verdient, an unserer Gesellschaft teilzuhaben und ein Leben frei von Existenzangst zu führen.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)
Ich freue mich, dass wir den Gesetzentwurf heute als fraktionsübergreifende Initiative der demokratischen Fraktionen einbringen und beschließen werden. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)
– Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, SPD, GRÜNEN im Landtag und FDP – erste und zweite Lesung