Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen,
der Einzelplan 11 in den Punkten Arbeit und Soziales ist wie kein anderer Ausdruck der komplexen Problemlagen, der wir uns gerade in Bund, Ländern und Kommunen stellen müssen.
Es kommt nicht häufig vor, dass 25.000 Menschen vor dem Landtag in Nordrhein-Westfalen demonstrieren. Ein Meer aus Beschäftigten, bis zur Kniebrücke hinunter, ist für sich und für die Menschen, für die sie jeden Tag eintreten, auf die Straße gegangen. Denn die Lage in der sozialen Infrastruktur ist ernst: Seit Jahren, ja teilweise sogar über einem Jahrzehnt, wurden die Zuschüsse, die wir für Schuldnerberatung, für soziale Beratungsstellen, für Migrationsberatung vergeben, nicht oder nicht maßgeblich angepasst. Was in den vergangenen Jahren oftmals innerhalb der Träger querfinanziert oder durch Spenden ausgeglichen wurde, ist insbesondere durch die Corona-Pandemie, aber auch durch die folgenden Krisen zunehmend schwieriger. Die Rücklagen sind an vielen Stellen aufgebraucht.
Nun kommen die Tarifsteigerungen, die zwischen Bund und Kommunen vereinbart wurden, hinzu. Sie sind richtig und wichtig, denn sie sind Wertschätzung und Anerkennung für die so wichtige Arbeit der sozialen Infrastruktur. Natürlich wollen Träger diese Tarifsteigerungen auch an ihre Beschäftigten weitergeben, das führt aber zu einer enormen Herausforderung für die örtlichen Haushalte und die Träger selbst. Eine Kürzung der Angebote steht ins Haus. Und deshalb lassen sie mich an dieser Stelle sagen: Liebe Träger, liebe Beschäftigte in der sozialen Infrastruktur: Wir sehen euch. Wir hören euch. Wir nehmen euch ernst.
Sie ernstzunehmen bedeutet aber auch, keine Versprechen zu machen, die wir am Ende nicht halten können. Wir haben eine Überbrückungshilfe bei den KiTas möglich gemacht. Mit den Änderungsanträgen der Fraktionen CDU und Grüne haben wir im Einzelplan 11 noch einmal 500.000€ bei den Aidshilfen draufgelegt, nachdem im Regierungsentwurf gekürzt wurde.
Trotzdem steht fest: Wir werden eine zukunftssichere Aufstellung unserer sozialen Infrastruktur nicht ohne andere Finanzierungsmodelle hinbekommen. Wir sind verfassungsrechtlich an eine Schuldenbremse gebunden, die zu einer anderen Zeit verabschiedet wurde. Einer Zeit, in der die Herausforderungen, die vor uns liegen, nicht angemessen berücksichtigt wurden. Investitionsstau in unserer Verkehrsinfrastruktur, im Kampf gegen den Klimawandel und seine Folgen und ja, auch in unsere soziale Infrastuktur, sind unter den jetzigen Rahmenbedigungen schlichtweg nicht zu meistern. Das Tischtuch, an dem wir ziehen, ist an allen Ecken und Enden zu kurz.
Und daher hilft es wenig, wenn Oppositionspolitik, ob in Berlin oder in Düsseldorf vor allem durch Verfassungsklagen zu Haushaltsrahmenbedingungen sichtbar wird und nicht durch das ernsthafte Anbieten von Lösungen. Das ist natürlich ihr gutes Recht, wird aber dem Ernst der Lage nicht gerecht. Noch weniger hilfreich ist es, wenn platt Erhöhungen gefordert werden, aber keine Gegenfinanzierung vorgeschlagen wird. Eine Schuldenbremse heißt: Wer A sagt muss auch B sagen, wer an der einen Stelle erhöhen will muss an einer anderen kürzen und sich der Debatte stellen. Das tut die Opposition hier nicht.
Und deshalb muss ich diese Rede hier als einen ernsthaften Appell an alle demokratischen Fraktionen, egal ob im Bund oder den Ländern richten – lassen sie uns Schluss machen mit den Scharmützeln über die Ebenen hinweg. Lassen sie uns ernsthaft über ein zukunftsfestes Update der Schuldenbremse und eine gerechte Verteilung der Steuerlasten in unserem Land sprechen. Und lassen sie mich hier noch einmal deutlich herausstellen: Eine Priorisierung im Bundeshaushalt zu Lasten von Sozialleistungen läuft nicht nur konträr zur Würde des Menschen, sie ist auch Nährboden für antidemokratische Kräfte. Ein Gesundsparen der Haushalte zu Lasten der sozialen Infrastruktur ist kurzsichtig, denn sie verursacht längere Abhängigkeit von Sozialleistungen und damit Folgekosten, die wir alle tragen müssen. Jetzt sind wir alle gefragt und können es uns nicht leisten, uns der Verantwortung zu entziehen.
Zum Abschluss meiner Rede möchte ich noch auf die Lichter im Einzelplan 11 eingehen, die trotz der schwierigen Lage weiter leuchten. Wir konnten die Meisterprämie verstetigen und werden weiterhin mit allen Kräften die Fachkräfteoffensive voranbringen. Wir bieten jungen Menschen, die es schwer haben, eine Ausbildung zu finden, durch „Ausbildungswege NRW“ neue Möglichkeiten. Wir investieren in Inklusionsunternehmen und die Digitalisierung des Arbeitsschutzes. Auch im Kampf gegen Wohnungs- und Obdachlosigkeit konnten wir die landesweite Ausbringung von „Endlich ein Zuhause“ verstetigen. Und wir werden mit dem Aktionsplan gegen Armut gezielter Maßnahmen zur Armutsprävention erarbeiten.
Schwierige Zeiten sind immer auch eine Chance, mutig zu sein und zusammenzurücken. Lassen sie uns diese Chance nutzen.