Persönliche Erklärung nach § 47 (2) der Geschäftsordnung des Landtags NRW
zur Abstimmung in zweiter Lesung über die Änderung des Gesetzes zur
Ausführung des Asylbewerberleistungsgesetzes
Im November 2023 haben die Ministerpräsident*innen der Länder mit dem
Bundeskanzler vereinbart, dass Empfänger*innen von Asylbewerberleistungen
künftig Leistungen in Form einer Bezahl- bzw. Geldkarte erhalten können. Der
Deutsche Bundestag hat dem „Gesetz zur Anpassung von
Datenübermittlungsvorschriften im Ausländer- und Sozialrecht“ im April 2024
zugestimmt und damit einen Rahmen für eine einheitliche Einführung der
Bezahlkarte in Deutschland beschlossen. 14 von 16 Bundesländern, u.a. NRW,
haben ein gemeinsames Ausschreibungsverfahren für einen Dienstleister
durchgeführt, das im Herbst abgeschlossen wurde. Die Landesregierung hat den
heute vorliegenden Gesetzentwurf, der den Rahmen für die Kommunen in Nordrhein-Westfalen vorgibt, auf Basis der MPK-Einigung vorgelegt.
Am Ende dieses Prozesses wird deutlich, dass die Bezahlkarte ein von Bund und
Ländern getragenes Instrument ist, das vor allem bundespolitische Stimmungslagen
abbildet. Diese Debatte ist in den vergangenen Monaten vor allem durch
Verächtlichmachung, Abschreckung und Abschottung geprägt gewesen.
Verschiedenste Einschränkungen beeinflussen das Leben von Geflüchteten in
unserem Land heute negativ. Ich möchte mit dieser persönlichen Erklärung diesen
Realitäten Raum geben. Handlungsleitend sind für mich in meinem Politikverständnis
die universellen Menschenrechte, das individuelle Recht auf Asyl und die
Entscheidung im Einzelfall.
Die Bezahlkarte soll Verwaltungsvereinfachungen bringen und Mittelabflüsse von
den Leistungsberechtigten ins Nicht-EU-Ausland entgegenwirken. Gerade der zweite
Punkt wird immer wieder herangezogen, um eine vermeintliche abschreckende
Wirkung zu konstruieren. Die von der Ministerpräsidentenkonferenz erhofften Effekte
zur Begrenzung von Migration oder Reduktion vermeintlicher Pull Faktoren kann die
Bezahlkarte allerdings nicht erfüllen, da es praktisch keine empirischen Belege für
die angeblichen Pull-Faktoren durch Asylbewerberleistungen gibt.
Im Rahmen der Debatten und parlamentarischen Beratungen zur Bezahlkarte bin ich
zur Überzeugung gekommen, dass Integration, Miteinander, Zusammenhalt und
Gleichberechtigung durch eine solche Karte nicht verbessert werden. Stigmatisierung
und Abschreckung sind nicht der richtige Weg, unsere Einwanderungsgesellschaft zu
gestalten.
Die Einführung der Karte in NRW ist verbunden mit einer Bargeldobergrenze von 50€
pro Monat. Durch die Bargeldobergrenze, die ich für falsch halte, soll es den
Geflüchteten ebenfalls verunmöglicht werden, größere Summen ins Ausland zu
transferieren. In der Realität aber wird sie ein Integrations- und
Partizipationshemmnis sein, weil dort, wo man günstig und nur mit Bargeld einkaufen
kann (Flohmarkt, Secondhand etc.), diese Menschen künftig nur begrenzt teilhaben
lässt.
Besonders problematisch ist die Miteinbeziehung von Analogleistungsbeziehenden.
Bei dieser Personengruppe handelt es sich um Menschen, die bereits seit 36
Monaten in Deutschland leben. Ich befürchte, dass eine Einschränkung der
Selbstbestimmung bei Menschen, die schon so lange in Deutschland leben, ein
besonderes Integrationshemmnis darstellt. Sie kann außerdem zu einem
gefährlichen Präzedenzfall in der Debatte über Sozialleistungen und für weitere
Bezieher*innen von Leistungen des Sozialgesetzbuches werden. Forderungen, die
dazu auf Bundesebene erhoben werden, lehne ich vehement ab.
In den Verhandlungen zur Ausgestaltung in NRW konnten jedoch auch wichtige
Verbesserungen erzielt werden.
Wichtig ist die Berücksichtigung von Kindern bei der Bargeldobergrenze. Das
bedeutet, dass Bargeldabhebungen für Voll- und Minderjährige in gleicher Höhe
möglich sind. So finden die zusätzlichen Bedarfe von Kindern und Jugendlichen, z.B.
für die Bildungsteilhabe oder Freizeitangebote eine bessere Berücksichtigung.
Mit der Opt-Out-Regelung können Kommunen entscheiden, die Bezahlkarte bei sich
nicht einzuführen. So ist sichergestellt, dass Kommunen die Möglichkeit haben, an
bürokratieärmeren und integrationsfördernden Girokontenmodellen festzuhalten.
Einige Kommunen haben ihre Absicht hierzu bereits erklärt. Das verdeutlicht: Diese
Regelung ist sinnvoll und unterstützenswert. Keine Bezahlkarte kann besser sein als
ein Girokonto.
Bis zuletzt habe ich mit meiner Zustimmung zur Bezahlkarte gerungen. Ich bedaure,
dass es uns BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Bund und Land nicht gelungen ist, die
Bezahlkarte für Geflüchtete abzuwenden.
Vor dem Hintergrund der Vereinbarung der Ministerpräsident*innen und dem
Bundeskanzler zur Einführung der Bezahlkarte und in Anerkennung der verhandelten
Verbesserungen, insbesondere der Möglichkeit vom Opt-Out durch Kommunen,
stimme ich dem vorliegenden Gesetzentwurf zu.